Die italienische Schweiz: Eine Amtssprache, zwei Kantone, mehrere Identitäten

In einem Land, in dem vier Sprachregionen und verschiedene Kulturen nebeneinander existieren, bleibt die italienischsprachige Region oft unbemerkt, auch von den Einheimischen selbst. Diese Region umfasst den Kanton Tessin und die vier Täler des Grigionitaliano in Graubünden, dem einzigen dreisprachigen Kanton des Landes.

Um in die italienischsprachige Schweiz zu gelangen, gibt es zwei Möglichkeiten: im Süden über Italien oder im Norden über den San Bernardino-Pass oder den Gotthard-Basistunnel, den längsten Eisenbahntunnel der Welt. Die offizielle Sprache in dieser Region ist Italienisch, angereichert mit verschiedenen Dialekten. Es ist die dritte Amtssprache der Schweiz und wird von etwa 7,9% der Schweizer Bevölkerung gesprochen. Mehr als die Hälfte der Italienischsprechenden lebt außerhalb der italienischsprachigen Region, was vor allem auf die Einwanderung aus Italien, insbesondere in den 1960er und 1970er Jahren, zurückzuführen ist. In der Schweiz lebt die drittgrößte Gemeinschaft von Italienern außerhalb Italiens. Obwohl Italienisch im ganzen Land weit verbreitet ist, bleibt es eine Minderheitensprache, die gepflegt und weiterentwickelt werden muss.

Die italienische Sprache in der Schweiz

In der Schweiz gibt es keine einheitliche Sprache, was sowohl eine Herausforderung als auch eine große Chance darstellt. Wenn alle Menschen dieselbe Sprache sprechen würden, wie z. B. Englisch oder ein hypothetisches "Swiss", wäre es für die Sprachregionen wahrscheinlich einfacher, sich gegenseitig zu verstehen. Doch die Mehrsprachigkeit ist seit jeher ein wesentlicher Bestandteil der Identität eines Landes und eines seiner prägenden Merkmale. Dies wurde 1848 formalisiert, als Deutsch, Französisch und Italienisch als drei gleichberechtigte Staatssprachen in der Bundesverfassung verankert wurden; die romanische Sprache kam 1938 hinzu.

Dank dieser Vielfalt profitiert die Schweiz von der Interaktion mehrerer Sprachen und vor allem Kulturen, die durch ein auf Föderalismus und direkter Demokratie basierendes politisches System vereint werden. Diese sprachliche Einzigartigkeit wird von anderen Ländern bewundert und bildet die Grundlage für den diplomatischen Erfolg der Schweiz, da sie sich bemüht, verschiedene Kulturen zusammenzubringen. Allerdings war es für sprachliche Minderheiten nicht immer einfach, sich Gehör zu verschaffen.

Das 2007 in Kraft getretene Bundesgesetz über die Landessprachen und die gegenseitige Verständigung der Sprachgemeinschaften (LangA) und dessen Ausführungsverordnung von 2010 bilden die Grundlage für Projekte zur Förderung der gegenseitigen Verständigung in diesem mehrsprachigen Land.

Ein Beispiel für solche Initiativen ist der Verein Pro Grigioni Italiano, der seit über 100 Jahren besteht und mit Unterstützung des Kantons und des Bundes die lokale italienische Kultur fördert und die Sprache verteidigt. Auch das kürzlich gegründete Forum für die italienische Sprache in der Schweiz unterstützt Projekte und Initiativen im ganzen Land.

Von Helvetismen zu Dialekten

Der Einfluss anderer in der Schweiz vertretener Sprachen hat das Schweizer Italienisch geprägt und ihm Nuancen und Wendungen verliehen, die es im italienischen Sprachgebrauch nicht gibt. So verwendet das Schweizer Italienisch anstelle des Begriffs "in promozione", der in Italien für den Verkauf von Produkten verwendet wird, den Ausdruck "in azione", der aus dem Schweizerdeutschen entlehnt ist. Wenn man auf Schweizer Italienisch einen Kaffee bestellt, sagt man "comandare un caffè", was vom französischen "commander" abgeleitet ist, während man in Italien eher "ordinare un caffè" sagt.

Auch der Reichtum der Dialekte ist ein wichtiger Aspekt. Die schweizerischen italienischen Dialekte, die sich von den lombardischen Dialekten ableiten, werden von etwa einem Drittel der Bevölkerung der Region gesprochen. Die Vielfalt der Dialekte im Tessin und in den italienischsprachigen Tälern Graubündens, darunter Ausdrücke wie "sa vedum" (ci vediamo) und "bondi" (buongiorno), ist im Vocabolario dei dialetti della Svizzera italiana dokumentiert.

Die italienische Schweiz strahlt über ihre Grenzen hinaus

Die italienischsprachige Schweiz, insbesondere das Tessin, wird von den Deutschschweizern wegen des milden Klimas und der mediterranen Atmosphäre als "Sonnenstube" bezeichnet. Doch diese Region bietet viel mehr als nur Sonnentage. Die Stadt Bregaglia zum Beispiel hat weltberühmte Künstler wie Giovanni Segantini und Alberto Giacometti hervorgebracht. Der Tessiner Architekt Mario Botta ist für seine Werke in der ganzen Welt bekannt, auch in den Vereinigten Staaten und in China.

Unter den bedeutenden historischen Persönlichkeiten ist das Tessin auch der Geburtsort von Francesco Borromini, einem wichtigen Vertreter der Barockarchitektur. Der ebenfalls aus dieser Region stammende Architekt Domenico Trezzini entwarf im Auftrag von Zar Peter dem Großen St. Petersburg. Nicht zu vergessen sind auch die Magister Moesani, eine Gruppe von Baumeistern, die zwischen 1500 und 1700 in Bayern, Polen und Österreich tätig waren.

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Die italienischsprachige Schweiz ist ebenfalls reich an Welterbestätten. Das Valposchiavo wird von der Raetzer Bahn durchquert, einem Meisterwerk der Ingenieurskunst. Die drei Burgen von Bellinzona sind nach wie vor ein wichtiger historischer Punkt zwischen Nord und Süd in der Schweizer Geschichte. Und auf dem Monte San Giorgio finden sich Fossilien, die mehr als 245 Millionen Jahre alt sind.

Auch in der Wissenschaft spielt die italienischsprachige Schweiz eine wichtige Rolle. In Lugano befinden sich das Schweizerische Nationale Hochleistungsrechenzentrum und die Universität der italienischen Schweiz, die einzige italienischsprachige Universität außerhalb Italiens. Und in Bellinzona sind biomedizinische und Krebsforschungszentren angesiedelt, die zum internationalen wissenschaftlichen Fortschritt beitragen.

Dies ist nur ein kleiner Teil des sprachlichen und kulturellen Reichtums der italienischen Schweiz, der einer der Eckpfeiler der Identität des Landes ist.

FAQ

F: Wo liegt die italienischsprachige Schweiz?
A: Die italienischsprachige Schweiz ist eine Region, die den Kanton Tessin und vier Täler (Grigionitaliano) im Kanton Graubünden umfasst.

F: Wie komme ich in die italienischsprachige Schweiz?
A: Die italienische Schweiz ist von Süden her über Italien oder von Norden her über den San Bernardino-Pass oder den Gotthard-Basistunnel erreichbar.

F: Was ist die offizielle Sprache in der italienischen Schweiz?
A: Die offizielle Sprache in dieser Region ist Italienisch, angereichert mit verschiedenen Dialekten.

F: Welche berühmten Persönlichkeiten stammen aus der italienischsprachigen Schweiz?
A: Berühmte Persönlichkeiten aus der italienischen Schweiz sind die Maler Giovanni Segantini und Alberto Giacometti, der Architekt Mario Botta, der Barockarchitekt Francesco Borromini, der Architekt Domenico Trezzini und viele andere.

F: Welche Sehenswürdigkeiten kann ich in der italienischen Schweiz besichtigen?
A: Zu den Sehenswürdigkeiten der italienischen Schweiz gehören die Raeta-Bahn, die Schlösser von Bellinzona, die Fossilien des Monte San Giorgio sowie das Schweizerische Nationale Hochleistungsrechenzentrum und die Universität der italienischen Schweiz.

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